Die Geschichte segelt am Saimaa entlang

Heute noch betriebene Dampfschiffe gibt es nicht mehr viele in der Welt. In Savonlinna liegen sogar drei an demselben Hafen: die S/S Punkaharju, die S/S Paul Wahl mit weißen Längsseiten und die S/S Savonlinna. Das Besondere dabei ist, dass die Schiffe von einem Familienunternehmen betrieben werden. Oy Vip Cruise Ltd aus Savonlinna führt mit ihren Schiffen jährlich Hunderte von Kreuzfahrten durch und bietet somit allen die Möglichkeit, auf den restaurierten Dampfschiffen in die Geschichte einzutauchen. Als Gäste haben sie bereits Königliche, Staatsoberhäupter, Personen der Öffentlichkeit und die weltweit reichsten Geschäftsleute begrüßt, ohne natürlich den Normalbürger zu vergessen. Die Dampfschiffkreuzfahrten haben das gewisse Etwas, was uns nach wie vor fasziniert. Janne Leinonen, Kapitän und Aktionär des Familienunternehmens, hat mit uns während einer Kreuzfahrt über die Gründe der verstärkten Konzentration von Dampfschiffen in Savonlinna sowie deren Bedeutung in der heutigen Zeit gesprochen.

Kapitän Janne Leinonen betrachtet die Wetterprognose der kommenden Woche im Fahrerhaus der S/S Punkaharju:

„22 Grad plus, es sieht ja langsam nach Leben aus!” juchzt er grinsend.

Das aktuelle Wetter gibt keinen Anlass für einen Freudentanz: das trübe, kühle und windige Wetter fühlt sich an Deck beißend an. Trotzdem hat Leinonen auf dem historischen S/S Punkaharju-Dampfschiff mehr als ein Dutzend Gäste.

„Wir machen diese Arbeit seit bereits über zwanzig Jahren und wir haben Gäste, die jedes Jahr seit zwanzig Jahren bei uns zu Gast sind”, sagt Leinonen.

Das Familienunternehmen besitzt zwei Dampfschiffe und das dritte wird vom Provinzmuseum Savonlinna gemietet. Ihr erstes eigenes Schiff war die S/S Punkaharju, das 1905 in Savonlinna gebaut wurde und aus diesem Grund immer noch in heimischen Gewässern fährt. Punkaharju ist ein Binnendampfschiff für Panorama- und Charterfahrten.

Das zweite eigene Schiff der Familie Leinonen ist die S/S Paul Wahl, eines der letzten in Finnland gebauten Schiffe mit weißen Längsseiten. Paul Wahl stammt ursprünglich aus dem Jahre 1919 und wird sowohl für Panoramafahrten als auch Charterfahrten eingesetzt.

Das dritte von ihnen betriebene Schiff, die S/S Savonlinna, wird vom Provinzmuseum Savonlinna gemietet. Die S/S Savonlinna stammt zwar aus dem Jahre 1904, aber die restaurierte Außenschale ist auf das 1927er Modell zurückzuführen. Die Savonlinna ist das größte Schiff ihrer Armada und wird nur für Charterfahrten herangezogen.

„Savonlinna ist bereits ein so großes Schiff, dass sich nicht jedermann ans Steuerrad traut. Einen Schiffsführer zu finden ist gar keine einfache Sache. Im Endeffekt darf ich dann das Schiff fahren, und ich tue es auch gern. Es ist ein gutes Schiff“, lächelt Leinonen.

Auf diesen drei Schiffen verbringt die Familie Leinonen die meiste Zeit im Sommer. Das Unternehmen hat durchschnittlich 300 im Voraus verkaufte Gruppen oder Charterfahrten. Die Gruppengröße variiert auf Kreuzfahrten von sechs bis zu 80 Personen.

„Wir haben schon mal eine Kreuzfahrt für 270 Personen mit Einsatz von allen drei Dampfschiffen organisiert”, erzählt Leinonen.

Die Schiffe sind Unikate, die möglichst nahe der ursprünglichen Form restauriert sind. Die Schiffe werden sorgfältig instand gehalten, damit sie ebenso gut sind wie sie aussehen. Im Frühjahr wird jede Fläche geprüft und behandelt: gestrichen, lackiert sowie von innen und außen geölt. Leinonen nennt den Prozess eine kosmetische Behandlung, denn Reparaturarbeiten werden möglichst wenig durchgeführt.

„Kosmetik ist ein gutes Wort, weil dieser Art Schiffe nur nach Bedarf repariert werden. Wenn sie richtig gewartet werden, braucht man sie eigentlich niemals reparieren“, erklärt Leinonen.

Doch die Ausrüstung der Schiffe ist nicht ganz original. Die Schiffe des Familienunternehmens verfügen über Elektrik, Bierhähne, Kühlschränke und eine moderne Seefahrtausrüstung mit für ein Handelsschiff erforderlichen Geräten, z.B. GPS, Radargerät und VHF-Telefone.

Während Leinonen über die Schiffstechnik erzählt, steuert er die Punkaharju und lehnt sich entspannt am Steuerrad. Man könnte fast glauben, dass Kapitän eines solchen Unikats zu sein sich recht gut anfühlt.

„Na klar fühlt sich das gut an, so richtig männlich! Je größer das Schiff, desto männlicher fühlt man sich. Wenn man das Savonlinna-Schiff fährt, ist man doch fast wie ein großer Herr. Diese Schiffe haben eine noch größere Bedeutung als Autos, weil sie nicht von allen gefahren werden können”, schmunzelt Leinonen.

Auch wenn die Grundprinzipien der Schiffe gleich sind, ist ihr Verhalten unterschiedlich. Die Unterschiede bestehen u.a. darin, wie die Schiffe auf das Drehen des Steuerrads reagieren, wie schnell sie wenden, wie groß die Wenderadien sind, wie schnell sie fahren und am Hafen zum Stoppen kommen.

Leinonen braucht nicht lange überlegen, um seinen eigenen Favorit zu nennen.

„Diese Punkaharju ist mit Abstand mein Favorit. Es ist das schönste existierende Schiff, im besten Zustand und hat die wendigste Größe. Von diesem Schiff hat man schon so viele Geschichten gehört und in dieser Region ist es sozusagen unser Schiff.”

Unter „unserem Schiff“ weist Leinonen auf die Geschichte und die Rolle des Schiffs in der Savonlinna-Region hin. Die Punkaharju gilt als „unser Schiff”, weil sie sich bis zu den 1960er Jahren im Besitz von einer großen Genossenschaft befand. Danach war sie im Besitz eines großen Schiffsbesitzers und in den 1980er Jahren in Privatbesitz. Obwohl die Punkaharju auch jetzt in Privatbesitz des Familienunternehmens ist, wird sie weiterhin als „unser Schiff“ angesehen. Der Grund dafür liegt darin, dass die Punkaharju allerlei Menschen befördert hat: Landvolk, Arbeiter und auch mal Bürgerliche. Trotz der klaren Hierarchie der Reisenden konnten jedoch alle mitfahren. Bei den anderen Schiffen war es nicht der Fall, wie z.B. bei der S/S Savonlinna, die einen bestimmten Besitzer hatte und nur Bürger mit einem gewissen Status beförderte.

„Aber der Wert aller anderen Schiffe leider nicht darunter. Die S/S Savonlinna ist ein prächtiges Schiff, das zur Beförderung von reichen Gästen von Lappeenranta nach Savonlinna ins Spa-Hotel Casino gebaut wurde. Mit ihren feinen Tapeten und Möbeln war sie die Titanic ihrer Zeit”, veranschaulicht Leinonen.

In der Punkaharju, die hauptsächlich normales Volk beförderte, bestehen die Innenräume dagegen aus Birkenfurnier und geraden Flächen.

„Aber es sieht trotzdem schön aus”, betont der Kapitän.

Leinonen spricht gefühlvoll über die Schiffe, diese und deren Geschichte sichtlich schätzend. Aber in ständiger Nostalgie schwelgt er jedoch nicht.

„Wir sind ein Teil der Schiffsgeschichte und dass man die Geschichte des Schiffs kennt, ist ein Teil der Gegenwart des Schiffs. Das bedeutet nicht, dass ich in der Geschichte leben würde. Gerade dies wünsche ich aber für einen Kunden, der mit dem Schiff gewissermaßen zurück zur Oma fährt, genauso wie in seiner Kindheit. Manche Menschen erleben die 1930er Jahre auf der Kreuzfahrt und das ist ein Teil des Erlebnisses – völlig erlaubt und sogar erwünscht”, überlegt sich der Kapitän.

So waren die Dampfschiffe in ihrer Geschichte mit beinahe allen Menschen im Kontakt, unabhängig von dem gesellschaftlichen Hintergrund.

Historische Schiffe

Viele verstehen heute nicht mehr, wie bedeutend die Dampfschiffe in der Vergangenheit waren. Die Dampfschiffe durchlebten ihre goldene Ära am Ende des 19. Jahrhunderts, denn sie waren bis zum Bau des Straßennetzes und zur Verbreitung des Autoverkehrs die schnellste Fortbewegungsart. Die Dampfschiffe wurden zur Beförderung von Menschen und Gütern eingesetzt. Die Schiffe waren für die engen Binnengewässer Finnlands bestens geeignet und es entstand ein regelmäßiger Schiffsverkehr. Vor allem im Nahverkehr mit vielen Zwischenanlegestellen waren die Dampfschiffe sehr wichtig.

Am Ende des 19. Jahrhunderts wuchs der Tourismus, was an den Reisekomfort der Dampfschiffe mehr Anforderungen stellte. Daraufhin wurden für die Schiffe Kabinen und Salons gebaut. Auch der Linienverkehr verlor nach der Jahrhundertwende an Bedeutung, als der Schienenverkehr und dann Kfz-Verkehr mehr Fuß fassten. Der Fremdenverkehr boomte jedoch bis zu den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts und verlor danach langsam an Beliebtheit und Bedeutung.

Auch wenn die Dampfschiffe vielleicht nicht mehr ganz modern und ebenso bedeutend wie früher sind, lebt ihre Geschichte weiter. Dies zeigt sich auch konkret bei der S/S Punkaharju.

Leinonen hatte vor einigen Jahren die Kabine des Kapitäns renoviert. Er hatte gerade Hartplatte und Tapete entfernt, als eine alte Bretterwand zum Vorschein kam. Auf einem Brett stand ein mit Bleistift geschriebener Text „SS Punkaharju Savonlinna 1905”.

„Den Bleistifttext musste ich einfach lassen, weil das ein Stück Geschichte ist. Die Kabine ist zwar nicht die Originalkabine, aber trotzdem einfach schön. Da überlegt man sich, wer das damals geschrieben hat“, stellt Leinonen fest.

Die Dampfschiffe haben in ihrer Zeit eine enorme Bedeutung für die Gemeinschaft gehabt. Sie waren die schnellste Verkehrsverbindung, manchmal gar die einzige, um in die Krankenhäuser oder zu sonstigen kommunalen Dienstleistungen zu kommen.

„Als Kapitän habe ich Leute getroffen, die ihr Leben dem Schiff zu verdanken haben, als sie in ihrer Kindheit als Tuberkulose-Kranke mit dem Schiff fahren konnten, weil der Kommunalarzt unterwegs gewesen war. Mit einer Pferdekutsche hätte man den Arzt nicht frühzeitig erreichen können“, erzählt Leinonen.

Heute sind die Dampfschiffe für das Menschenleben nicht mehr lebenswichtig, sondern es geht eher um den Öffentlichkeitswert und das Image. Die Geschichte der Schiffe ist nach wie vor attraktiv.

„Bei diesen Schiffen gehen die Geschichte und Kultur Hand in Hand und sie sind für den Menschen wichtig. Warum könnte man über diese Dinge nicht auch außerhalb von Savonlinna bis ins Ausland erzählen?  Schildern, dass diese Schiffe immer noch existieren und sorgfältig gepflegt werden“, überlegt Laitinen.

Stärke des Familienbetriebs

Die für den Dampfschiffbetrieb zuständige Oy Vip Cruises Ltd ist ein 1989 gegründetes Familienunternehmen. Das war die Vision des Vaters Kari Leinonen. Karis Vater hatte auf einem Arbeitsschlepper gearbeitet und dadurch die Schiffswelt kennengelernt. Als er als Portier im Hotel Tott gearbeitet hatte, hatte er beim Beobachten des Hafens realisiert, dass in Savonlinna eine Dienstleistung fehlte, die den Geschäftsleuten und Unternehmen den Saimaa-See als Standort für ihre Tagungen und Seminare anbieten würde. Genau diese Fahrten wollte Vip Cruise anbieten.

Das war der Anfang der Geschäftstätigkeit. Das erste Schiff war ein holländischer Stahlkreuzer, der zu Charterfahrten herangezogen wurde. Die Dampfschiffe kamen in den 1990er Jahren mit ins Bild, als Kari die Gelegenheit hatte die Schiffe zu kaufen. Im Jahr 1999 kaufte Kari sein erstes Dampfschiff, die S/S Punkaharju. Mitte der 2000er Jahre kam Paul Wahl dazu und seit 2008 wird die S/S Savonlinna auf Mietbasis betrieben.

Mittlerweile gibt es in Savonlinna auch andere Anbieter für Charterfahrten auf dem Saimaa, aber ursprünglich stammt das für Savonlinna ausgelegte Produkt von ihnen. Und kein anderer bietet Dampfschifffahrten an.

„In der Welt gibt es zwar richtig tolle Kreuzfahrten, aber weder Saimaa noch traditionelle Dampfschiffe, kombiniert mit guten Dienstleistungen und einem maßgeschneiderten Produktpaket. Es ist ein Erlebnis, das man nirgendwo anders in der Welt findet”, stellt Leinonen fest.

Leinonen selbst arbeitet im Betrieb auf die eine oder andere Weise von klein auf. Seit 2005 ist er Aktionär des Unternehmens. Seine eigenen Söhne im Alter von 8 bzw. 13 Jahren sind auch auf den Schiffen oft dabei, aber er kann nicht sagen, ob das Unternehmen nach ihm von den Jungs weitergeführt wird.

„Die Weltlage kann man nicht voraussehen. Wer weiß, vielleicht ist Saimaa dann eines der beliebtesten Tourismusgebiete Europas und dieses Geschäft wäre eine richtige Goldgrube. Doch bauen wir nicht darauf, dass unsere Söhne als kostenlose Arbeitskraft hier arbeiten würden”, lacht Leinonen.

Das Unternehmen hat drei historische Dampfschiffe unter seinen Fittichen, was für eine kleine Gemeinde wie Savonlinna eine große Konzentrierung ist. Die starke Vertretung der Schiffe in Savonlinna möchte Leinonen dem Familienunternehmen jedoch nicht zur Ehre anrechnen. Seiner Meinung nach war die Stadt schon immer der zentrale Standort für die Dampfschiffe. Daran liegt es teilweise, dass Schiffe nirgendwo anders in solcher Anzahl auftreten. Ein Grund ist laut Leinonen auch die Hafenlage in der Stadtmitte. In Savonlinna gelangen die Menschen zum Hafen auch ohne es zu wollen.

„Es liegt aber auch an der Nachfrage. Drei oder vier Dampfschiffe zu beschaffen lohnt sich nicht nur hobbyhalber. Ein Schiff würde sogar noch als Hobby und Therapie gehen“, lacht Leinonen.

Königliche und Orkane

Im Laufe der Jahre hat Leinonen als Kapitän auch für hoch geachtete Gäste navigieren dürfen, und manchmal auch bei lebensbedrohlichen Situationen.

Im Sommer 2011 hatte er gleichzeitig eine königliche Gesellschaft und die Präsidentin Finnlands inklusive Sicherheitspersonal auf dem Schiff. Diese Kreuzfahrt ist ihm in Erinnerung geblieben, schon alleine von der Organisation und vom Gelingen her.

Leinonen ist mit seinem Schiff etwas verspätet losgefahren, weil es vieles vorzubereiten und zu organisieren gab. Unterwegs hatte es noch Verzögerungen gegeben und der Zeitplan war wirklich eng. Schließlich ist Leinonen gerade in dem Augenblick am Hafen angekommen wie die Gesellschaft, die dachte, dass die Ankunft für sie getimt gewesen war.

„Zwischendurch hatte ich kalten Schweiß auf der Stirn und dachte, was ist wenn wir uns verspäten. Aber zum Schluss war es wie eine Programmnummer, als die Gesellschaft sah, dass das Schiff gerade wegen Ihnen pünktlich in den Hafen eingefahren ist. Darüber hinaus war das Wetter bei 23 Grad perfekt und der Saimaa spiegelglatt. Es hätte nicht besser klappen können!” lacht Leinonen.

Einen anderen unvergesslichen Gast auf dem Schiff hatte er auch im Sommer 2011: Herrn Forrest Mars. Leinonen hatte ein Jahr zuvor über einen Bekannten eine Anfrage erhalten, in der gebeten wurde, bei der Reiseorganisation in Savonlinna einer nicht namentlich genannten Person zu helfen. Leinonen begann zu planen und zu organisieren. Ein wenig später wurde Leinonen gefragt, ob er für diesen Gast eine Anlegestelle am Hafen organisieren könnte, weil er mit seinem eigenen Boot kommt. Na klar, hatte Leinonen geantwortet und sich erkundigt, um was für ein Boot es denn handelt, damit er nach einer geeigneten Anlegestelle zu suchen weiß.

„Die Antwort lautete, dass das Boot 55 Meter lang sei”, lacht der Kapitän.

„So wurde es nach und nach klar, dass die reichsten Personen des Globus mit ihren ca. 100 Gästen kommen würden. Nun ja, in der Stadt wurde einige Tage lang gut gefeiert”, erinnert sich Leinonen zurück.

Im Sommer 2007 wurde anlässlich der Feier zum 100-jährigen Bestehen des Parlaments auch das Schiff von Leinonen von der Polizei und Sicherheitspolizei durchsucht. Zuerst fand auf der S/S Punkaharju ein Treffen für die Ministerpräsidenten der nordischen Länder statt und das Schiff wurde vor dem Einsteigen der Gäste inspiziert. Später im Sommer waren der Parlamentspräsident, der ehemalige Präsident und seine Delegation zu Besuch bei den Opernfestspielen. Die Schiffe von Leinonen wurden vor der Kreuzfahrt wieder durchsucht.

„Nach einigen Tagen kam die damalige Präsidentin an Bord. Dann stellten die Polizisten nur fest, dass sie das Schiff nicht mehr durchsuchen würden, weil alles sowieso in Ordnung sei. In Ordnung, habe ich dazu nur gesagt”, lacht Leinonen.

Die Präsenz von hochkarätigen Gästen bedeutet jedoch nicht, dass der Schiffsbetrieb anders wäre.  Alles läuft genauso wie immer, das ist nur ein Teil der Arbeit.

„Ich mache keinen Stress deswegen. Halt auf Nummer Sicher gehen und noch mal prüfen, dass das Schiff in Ordnung ist. Wenn man das Schiff fährt, ist es egal wer mitfährt. Wir sind für alle Passagiere gleichermaßen verantwortlich. Es sind schließlich immer Menschen mit denen wir zu tun haben”, erläutert Leinonen.

Er findet, dass gerade die Menschennähe der Trumpf ihres Familienunternehmens ist, der ihre Tätigkeit einzigartig macht.

„Es ist wesentlicher Bestandteil unseres Konzeptes. Wir beteuern auch unseren Mitarbeitern, dass wir als Familienunternehmen den Kunden nicht so offiziell empfangen wie z.B. im Hilton-Hotel. Es ist dabei dann egal, wer sie sind”, unterstreicht Leinonen.

Nicht nur eindrucksvolle Gäste, sondern auch eine fast schief gegangene Kreuzfahrt ist ihm in Erinnerung geblieben. Während des Asta-Sturms im Juli 2010 fuhr Leinonen gerade eine Charterfahrt mit der S/S Punkaharju. Er wollte gerade zurück zum Hafen und das Schiff wenden. Doch wegen dem Sturm konnte das Schiff nicht mehr gewendet werden. Leinonen befand sich gerade in der schmalen Hafeneinfahrt und das Wenden des großen Schiffs war unmöglich. Außerdem wehte der Wind in Richtung Hafen.

Nach der Feststellung der Lage teilte Leinonen dem Maschinenmeister mit, dass der Wind außergewöhnlich stark sei und er solle auf weitere Kommandos warten. Dann kam auch das Deckpersonal mit Fragen zu ihm.  Leinonen befahl alle Passagiere in das Parterre und die Türen zuzuschließen, damit kein Wasser eindringen kann. Danach hat er sich überlegt, wie die Schäden zu minimieren sind. Er glaubte, dass sie in keinem Fall ohne Schäden davonkommen würden. Er musste darüber nachdenken, wie Menschen möglichst wenig zu Schaden kommen würden und wie eine völlige Zerstörung des Schiffs zu verhindern war. Auf dessen Grundlage erstellte Leinonen einen Aktionsplan und beschloss, das Schiff neben die Gehbrücke des Marktplatzes zu fahren. Er glaubte, dass an dieser Stelle das Schiff weder sich schlagen noch umkippen würde, was für das Schiff und Passagiere nichts Gutes bedeutete. Leinonen musste ständig nachsehen, dass keiner unter das Schiff gerät, denn es gab Dutzende von Booten am Hafen.

„Aber Ruderboote in der Situation auszuweichen wäre das letzte Ding zu überlegen und zu tun gewesen. Mit diesem Schiff wäre das auch unmöglich gewesen”, denkt der Kapitän nach.

Schließlich ging alles gut. Leinonen konnte das Schiff wie geplant ohne Personen- und Sachschäden anlegen – bis auf einige zerbrochene Champagnergläser. Noch zwei Stunden nach dem Vorfall bekam er dankbare Anrufe.

Am nächsten Morgen ging es mit Kreuzfahrten wie gewohnt weiter.

„So ist es eben, ein Unternehmer zu sein. Wenn ein Flugzeugpilot notlanden muss, ist er sofort ein halbes Jahr krankgeschrieben”, stellt der Kapitän fest.

Leinonen gibt zu, dass auch wenn er in dieser Situation einen kühlen Kopf bewahren konnte, konnte er wegen der psychischen Belastung später in der Nacht nur schwer einschlafen.

„Aber es geht nichts über die Konzentration. Manch einer hätte komplett handlungsunfähig werden können. Gottseidank ist es mir nicht passiert. Auf dem Schiff sage ich immer wieder, dass der Respekt vor der Natur wichtig ist. Die Natur ist immer stärker als das Schiff und die Crew. Dass es soweit kommen kann, ist bekannt. Das kam und ging, aber ohne bleibende Traumata“, denkt der Kapitän zurück.

Die Kunden sind das Beste

Unsere Panoramafahrt am Saimaa neigt dem Ende zu und Leinonen steuert die S/S Punkaharju an der Burg Olavinlinna vorbei, damit Passagiere die Landmarke der Stadt bewundern und fotografieren können. Leinonen geht geschickt mit dem Schiff um und wenn man das Arbeiten des Schiffsführers aus nächster Nähe beobachtet, kommt das Schifffahren aufregend und auch etwas kompliziert vor. Leinonen selbst empfindet das anders.

„Das Schiff zu fahren ist bei dieser Arbeit das Leichteste. Schiffsführer findet man immer – auch gute und gut aussehende. Nicht ganz so gut aussehend wie ich bin, aber fast”, witzelt Leinonen.

Was ist denn das Beste? Für den Kapitän ist die Frage schwierig und er überlegt sich lange.

„Ein gutes Kundenfeedback genießt man schon sehr. Wenn jemand zu mir kommt und sich bedankt, dann weiß man, dass einem die Erfüllung eines Kundenwunsches gelungen ist.”

Dann kündigt das Ertönen der Dampfpfeife die Ankunft am Hafen an, und Leinonen steuert das Punkaharju zurück in den Hafen von Savonlinna. Der Kapitän steigt auf das Steinpflaster des Hafens und beim Verlassen des Schiffs bedankt sich der eine oder andere Passagier bei ihm. Wenn ich vom Deck zurück auf den Boden von Savonlinna steige, kommt es mir vor, als ob ich von der Geschichte zurück in die Gegenwart versetzt wurde. Wehmütig plane ich bereits eine nochmalige Zeitreise für den nächsten Sommer.

S/S Paul Wahl

Die S/S Paul Wahl ist eines der letzten in Finnland gebauten Dampfschiffe mit weißen Längsseiten. Sie wurde im Jahr 1919 in Varkaus gebaut und ursprünglich mit dem Namen S/S Maaninka gefahren. Vor ihrem heutigen Namen Paul Wahl hieß sie auch S/S Paasikivi, S/S Joensuu, S/S Mikkeli und S/S Vehmersalmi. Mit dem Namen S/S Paul Wahl fährt das Schiff seit 1982. Die Paul Wahl wird für Charterfahrten und auch für Panoramafahrten vom Hafen Savonlinna aus eingesetzt. Passagierzahl: ca. 100 Personen. Maße: Länge 26,5 m, Breite 6 m, Tiefgang 2,1 m.

S/S Punkaharju

Die S/S Punkaharju ist ein Binnendampfschiff, das 1905 in Savonlinna gebaut wurde. Sie ist auch das einzige der in Savonlinna gebauten Passagierdampfschiffe, das erhalten geblieben ist. Der Bauherr war die Genossenschaft der Gutsbesitzer von Punkaharju. Der ursprüngliche Zweck des Schiffs war die Beförderung von Passagieren auf dem unwegsamen Saimaa von Punkaharju nach Savonlinna. Das Schiff brannte 1926 ab, wurde aber in demselben Jahr erneut gebaut. Die heutige Punkaharju wurde gemäß dem 1926er Modell gebaut. Auch die S/S Punkaharju wurde mit anderen Namen gefahren, z.B.: S/S Osuuskunta I, S/S Kerttu, S/S Punkaharju und S/S Taimi III. Passagierzahl: 75 Personen. Maße: Länge 22,5 m, Breite 4,95 m, Tiefgang 2 m.

S/S Savonlinna – „Saimaa Express“

Die S/S Savonlinna ist ein authentisches Dampfschiff, das ursprünglich 1904 gebaut wurde. Die jetzige Außenschale ist auf das 1927er Modell zurückzuführen. Die 100-jährige Savonlinna fährt nach wie vor mit 1 m langen Birkenscheiten. Passagierzahl: ca. 100 Personen. Maße: Länge 27,8 m,  Breite 6,6 m, Tiefgang 2,4 m. Die Savonlinna wird nur für Charterfahrten als Tagungs-, Schulungs- und Repräsentationsschiff eingesetzt. Der Besitzer, Provinzmuseum von Savonlinna, vermietet das Schiff an Vip Cruise.

Reeta Toivanen

Weitere Informationen über die Schiffe und Kreuzfahrten finden Sie unter: www.vipcruise.info